Fachbeitrag von Dipl.-Ing. Bert Barkhausen
Ein effektiver Rauch- und Wärmeabzug (RWA) als Element des vorbeugenden Brandschutzes kann Menschenleben retten: Aus diesem Grund bieten einige Hersteller ergänzend zu ihrem Angebot an Tageslichtprodukten – wie beispielsweise Lichtkuppeln und Lichtbänder – auch verschiedene RWA-Systeme an. Diese sorgen mit ihren unterschiedlichen Beschlags- und Klappenarten im Brandfall dafür, dass toxische Rauchgase effektiv aus dem Gebäude geleitet werden. Das Regelwerk der DIN EN 12101-2:2003 dient dabei als Grundlage für die Entwicklung und Prüfung aller natürlichen Rauch- und Wärmeabzugsgeräte (NRWG).
Die Sicherheit von Personen an Arbeitsplätzen und in öffentlichen Gebäuden ist integraler Bestandteil der Bauordnung. Damit liegt auch ein hohes Maß an Verantwortung im Bereich des vorbeugenden Brandschutzes bei Bauherren, Gebäudebetreibern und Planern. Besonders wichtig im Sinne des vorbeugenden Brandschutzes ist dabei ein fundiertes Brandschutzkonzept, das auf die effektive Entrauchung eines Gebäudes im Brandfall ausgerichtet ist. Denn neben Hitze sind es vor allem giftige Rauchgase, die schnell detektiert und verlässlich aus einem Gebäude abgeführt werden müssen. Sie bergen ein erhebliches Gesundheitsrisiko und sind die häufigste Ursache für „Brandopfer“. Die Hauptaufgabe des vorbeugenden Brandschutzes ist es daher, Rettungswege raucharm zu halten, damit Menschen ungehindert ins Freie gelangen können und die Feuerwehr einen gezielten Löschangriff vornehmen kann.
Eine zentrale Rolle spielen dabei natürliche Rauch- und Wärmeabzugsgeräte (NRWG): Sie sorgen durch den Einsatz von mindestens einem automatischen Auslöseelement für eine unmittelbare Detektion und damit schnelle Entrauchung des jeweiligen Gebäudes im Brandfall. Das produktseitige Regelwerk dafür ist in der DIN EN 12101-2 festgehalten. Als Prüfungsgrundlage für natürliche Rauch- und Wärmeabzugsgeräte (NRWG) fordert sie den Einsatz kompletter Systemlösungen beziehungsweise Produkt-Kombinationen. Diese setzen sich zusammen aus einem Öffnungselement – im Flachdachbereich beispielsweise in Form einer Klappe oder einer Kuppel – sowie aus einem Beschlags- und einem Antriebssystem. Haben die Geräte das umfangreiche Prüfprogramm durchlaufen und ist ihre Leistung durch ein akkreditiertes Prüfinstitut zertifiziert, dürfen sie nach Bauregelliste B in Deutschland eingebaut werden. Das vom Hersteller aufgebrachte CE-Zeichen kennzeichnet das Produkt dabei als zulassungskonform.
Bei Flachdächern bietet sich dabei der Einsatz von Lichtkuppeln sowie Lichtbändern an, wobei letztere – je nach Lichtbandbreite – mit First-, Voll-, Seiten- oder Doppelklappen ausgestattet sein können. In diese Dachöffnungen werden die RWA-Beschläge integriert. Sie sind mit Sensoren bestückt, die auf Rauch oder definierte Temperaturen reagieren und dann mit unterschiedlichen Techniken für die Öffnung der RWA-Geräte sorgen. Gemäß DIN EN 12102-2 wird für jedes NRWG eine aerodynamisch wirksame Öffnungsfläche ermittelt, die je nach Gerätetyp einen spezifischen Öffnungswinkel nach sich zieht. Für den Fachplaner ist die aerodynamisch wirksame Öffnungsfläche daher eine wichtige Größe für die RWA-Projektierung. Lichtbänder und -kuppeln werden darüber hinaus auch für die natürliche Ausleuchtung von Räumen mit Tageslicht eingesetzt. Installiert auf Flachdächern ermöglichen sie – beispielsweise in Industriehallen – einen ausgewogenen Tageslichteinfall, der zu mehr Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten beiträgt. Auch in puncto Energieeffizienz entwickeln die Hersteller ihre Lichtkuppeln und -bänder kontinuierlich weiter, um den steigenden gesetzlichen und normativen Anforderungen in diesem Bereich gerecht zu werden. Über die verschiedenen Möglichkeiten der optimierten Wärmedämmung informieren die Fachberater des jeweiligen Herstellers.
Normative Grundlagen für den Rauch- und Wärmeabzug
Ein funktionierender Rauch- und Wärmeabzug ist Planungssache und unterliegt dem gültigen Baurecht. Zur Umsetzung stehen dem Fachplaner für vorbeugenden Brandschutz verschiedene Normen und Methoden zur Verfügung, die dem aktuellen Stand der Technik entsprechen müssen. In Deutschland muss ein NRWG verpflichtend eingesetzt werden, wenn ein Gebäude mehr als 200 Quadratmeter Grundfläche aufweist und ein natürlicher Rauchabzug bauordnungsrechtlich geschuldet ist. Wo und in welcher Anzahl und Größe Rauchabzugsflächen im Dach und entsprechende Zuluftflächen vorzusehen sind, kann beispielsweise anhand der DIN 18232-2 ermittelt werden. Die DIN EN 12101-2 legt zudem verschiedene Leistungsklassen – beispielsweise für Schnee- und Windlasten – fest. Mindestanforderungen, die ein NRWG erfüllen muss, existieren dabei in Deutschland nicht. Architekten und Planer sollten daher darauf achten, dass die Leistungsklassen eines RWA-Gerätes an die jeweiligen Umgebungsumstände des Objektes angepasst sind. In Regionen mit gewohnt hoher Schnee- und Windlast sollte daher eine entsprechend höhere NRWG-Klassifizierung angewendet werden als in Regionen mit weniger extremen Wetterlagen.
Trends in der RWA-Technik
Um die zahlreichen variierenden Anforderungen an die Konstruktion der RWA-Geräte und an die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten zu erfüllen, bieten verschiedene Hersteller unterschiedliche RWA-Geräte und -Techniken an. Bei der Betätigung von Öffnungselementen sind dabei pneumatische Beschläge weit verbreitet. Der Vorteil hierbei liegt in der relativ „einfachen“ und robusten Technik. Das autarke System funktioniert auch bei totalem Stromausfall unabhängig von einer externen Spannungsversorgung problemlos, da die erforderliche Energie in Form von CO2 in Druckgasflaschen gespeichert und gesichert wird. Dem gegenüber steht die neuere Technik der elektromotorisch betätigten RWA-Beschläge. Sie bietet neben der Schutzfunktion im Brandfall auch die kombinierte Möglichkeit der täglichen Be- und Entlüftung. Das schafft – ohne den Einsatz zusätzlicher Öffnungsaggregate – ein angenehmes und ausgeglichenes Raumklima an Arbeitsplätzen oder in anderen Räumlichkeiten. Ein weiterer Vorteil der Elektro-RWA-Beschläge ist ihre Funktionalität beispielsweise auch bei niedrigen Temperaturen. Während die gespeicherte Energie in einem pneumatischen System mit sinkender Temperatur kontinuierlich abnimmt, halten die elektrischen Systeme ihre volle Funktionalität bis zu einer Temperatur von beispielsweise minus 15 Grad Celsius problemlos aufrecht. Ohne großen Aufwand gestaltet sich auch die Anbindung der Elektro-RWA-Steuerungstechnik an die jeweilige Gebäudeleittechnik. Solche integrierten, übergeordneten Netzwerke sind im Vergleich zu Einzellösungen wirtschaftlicher und effizienter. Sie ermöglichen beispielsweise auch eine automatische Nachtauskühlung im Sommer zur Reduzierung von Kühllasten und Steigerung der Leistungsfähigkeit von Beschäftigten.
Unterschiedliche System-Spannungen
Elektromotorisch gesteuerte RWA-Beschläge sind – je nach Hersteller – als 24 Volt- bis 48 Volt-Version erhältlich und kommen vorzugsweise bei Gewerbebauten zum Einsatz. Die 48 Volt-Variante zeichnet sich gegenüber der 24 Volt-Technik durch ihre doppelte Spannung aus. Sie eignet sich damit insbesondere für den Einsatz bei anspruchsvollen Projekten – beispielsweise bei Öffnungselementen, die eine hohe Schneelast zu bewältigen haben oder wenn eine größere Anzahl von Öffnungselementen mit einem Steuergerät angesteuert werden sollen. Aufgrund der intelligenten Steuerung können die Laufströme bei der 48 Volt-Technik auf die Hälfte reduziert werden. Dies ermöglicht den Einsatz dünnerer Kabelquerschnitte, was die Installationskosten deutlich senkt und insgesamt die Projektkosten verringert. Zudem können die Steuerungszentralen mit ihrer höheren Leistung doppelt so viele RWA-Beschläge gleichzeitig ansteuern. Das minimiert insgesamt die Anzahl der Steuerungszentralen und reduziert den Installations- und Verkabelungsaufwand im Gebäude.
Insgesamt stehen dem deutschen Markt eine Vielzahl verschiedener RWA-Lösungen für Flachdächer zur Verfügung. Damit können Fachplaner und Architekten für jedes Gebäude den vorbeugenden Brandschutz individuell umsetzten und gleichzeitig zusätzliche technische, energetische und gestalterische Belange umsetzen. Dies gewährleistet die Sicherheit von Menschen, schützt wertvolle Gebäudesubstanz und bietet geldwerten Zusatznutzen.
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